Jede Kommunikationsform hat ihre eigenen Regeln. Ein Claim funktioniert anders als eine Überschrift, ein Editorial anders als ein Brief an die Aktionäre. Die Herausforderung besteht darin, die Erfordernisse der spezifischen Maßnahmen und Anlässe präzise zu erfüllen und dabei übergreifend eine charakteristische Tonalität für die Marke zu entwickeln. Das leistet unser Team mit langjähriger Erfahrung aus Werbung, Journalismus sowie Literatur- und Sprachwissenschaft.
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Wir sind platt
Anlässlich der Wahl Kardinal Ratzingers vor zehn Jahren gelang den Sprachverstümmelungsspezialisten der Bild-Zeitung ein unerwarteter Coup: »Wir sind Papst!« Die grammatikalische und inhaltliche Kühnheit dieser Schlagzeile gab einen außerordentlichen Sachverhalt in ebenso außerordentlicher wie populärer Form wieder, so dass auch die 70% Nicht-Katholiken in Deutschland das Amt gerne annahmen.
Die Beliebtheit war sofort ähnlich groß wie bei Trappatonis legendärem »Flasche leer«. Doch während diese Perle des Falschsprechs ein Unikat blieb, generierte die Formel »Wir sind« + Nomen im Singular ein Feuerwerk an Variationen. Der satirische Titel »Wir sind Kaiser« der ORF-Sendung wurde erwartungsgemäß von der Realität bei Weitem übertroffen. Von »Wir sind Angst« (Heavy-Metal-Album) über »Wir sind Bund« (Personalseite des öffentlichen Dienstes der Bundesverwaltung), »Wir sind Hammer« (Hammerwerfer), »Wir sind Klima« (Die Grünen Leipzig), »Wir sind Günter Wallraff« (Theaterstück) bis »Wir sind Zirkus« (Mitmachzirkus Linz) gibt es mittlerweile so ziemlich alles, was man sich so vorstellen kann.
Ziemlich alles heißt aber eben nicht: alles. Es fehlte noch der Fisch, und den gibt es bei Nordsee. Unter maximaler Schonung von Sprachressourcen wurde mit »Wir sind Fisch« ein Claim generiert, der an den Anfang erinnert – der Fisch als urchristliches Symbol, wie der Papst – und ein Ende der Wir-sind-Plage verheißt: Fische sind stumm. Und wen stört’s schon, dass das Ganze ein wenig ausgelatscht ist, es geht ja nicht um Schuhe.
Einfachheit war die Devise, und so wurde der Claim samt dem zugehörigen TV-Spot gleich als neue Markenstrategie erklärt. Wieso auch nicht? Das spart eine Menge Positionierungs-, Definitions- und Implementierungsressourcen. Dass das so genial einfach geht! Dann sind wir wohl doch noch nicht am Ende. Wie viele Unternehmen könnten sich da eine frische Strategie zulegen: Wir sind Auto. Wir sind Bank. Wir sind Mobilfunk. Wir sind Elektrogerät ... Da sind wir wirklich platt, mit wie wenig sich so viel erreichen lässt. Anders gesagt: Wir sind Flunder.
Autor: Àxel Sanjosé, Director of Copywriting bei KMS TEAM



Die warme Schulter zeigen : Über das Potenzial eines offenen Kreationsprozesses
Für viele Kreative gibt es ein Schreckenswort, das sie mitsamt dem damit bezeichneten Vorgang am liebsten für immer aus ihrem Leben verbannen würden: »Schulterblick«. Der Begriff scheint jenen unheilvollen Termin zu bezeichnen, an dem ihre wunderbaren gestalterischen Ideen und Entwürfe zu bedauernswerten Torsi gestutzt und in laue Kompromisse verwandelt werden.
Ganz anders, im Grunde aber spiegelbildlich, empfinden es viele Auftraggeber: Im Schulterblick sehen sie die Notbremse, um die wild sich vergaloppierenden Kreativen mit großer Mühe und notfalls unter Drohungen halbwegs auf den gewünschten Kurs zurückzubringen.
Kunden und Kreative vereint in Sachen Schulterblick oft nur eines: ein mehr oder weniger ausgeprägter Widerwille. Selbst erfahrene Marketing- oder Kommunikationsverantwortliche sehen darin eher ein notwendiges Übel als eine Sternstunde.
Neue Teams statt alte Märchen
Dabei stellt der Schulterblick das ideale Instrument dar, um hervorragende kommunikative Ergebnisse zu erzielen, in kreativer wie in inhaltlicher Hinsicht. Um sein Potenzial zu nutzen, müssen sich die Beteiligten jedoch von der Vorstellung verabschieden, dass alles Kreative in einer Sphäre des Spontanen, Impulsiven, ja Ziellosen geschehe, während Analyse, Struktur und Praxisbezug eine Gegenwelt bildeten, die damit völlig unvereinbar sei.
Dieser Gegensatz ist ein Aberglaube. Gute Kommunikation entsteht vielmehr erst dann, wenn beide Seiten zusammen einen Prozess erschaffen, in dem Logik, Intuition, Emotion und Reflexion zusammenfließen.
Richtig produktiv wird dieser Prozess, wenn der Auftraggeber daran beteiligt wird – und zwar als vollwertiges Team-Mitglied. Genau das ist die Möglichkeit, die der Schulterblick bietet. Gelingt es, ihn als produktives und kreatives Treffen zu gestalten, ist der Gewinn enorm, weil die daraus sich entwickelnden Konzepte stets in die richtige Richtung wachsen und nicht nachträglich gestutzt oder hingebogen werden müssen.
Die Voraussetzung dafür ist der Abbau von Vorurteilen. Und Mut. Mut zum Beispiel auf Seiten der Gestalter, die kreative und konzeptionelle Kompetenz von Auftraggebern einzubeziehen und ihre Vorschläge nicht als unmaßgebliche Laien-Einfälle abzutun. Auch Kunden sollten Mut aufbringen, die beratenden und ins operative Geschäft hineinreichenden Gedanken der Kreativen ernst zu nehmen und nicht als weltfremde Phantasien zu belächeln.
Mehr ist weniger
Letztlich geht es um das Einbringen vorhandener Stärken in ein gemeinsames Projekt, und Stärken lassen sich nicht geometrisch parzellieren. Die gegenseitige Bereicherung beruht darauf, dass man »so frei ist«, auch auf dem Gebiet des Gegenübers mitzudenken. Kreation wird damit zu einem ganzheitlichen Prozess, dessen Ergebnisse treffsicher sind und vom gesamten Team getragen werden.
Der zeitliche und konzeptionelle Mehraufwand, den eine gut entwickelte Schulterblick-Kultur verursacht, zahlt sich allemal aus. Sie verhindert zum Beispiel »originelle« Spots, die letztlich nur auf sich selber aufmerksam machen und für Marke oder Produkt keinen kommunikativen Nutzen bringen, oder jene unsäglich weich gespülte Reklame, die in der Regel das Ergebnis schlechter Kompromisse ist.
Bei einem offenen, gleichberechtigten Austausch bleiben autoritäre Geschmacksdiktate ebenso außen vor wie vorauseilender Gehorsam der Kreativen. Auf Präzision wird dabei ebenso wenig verzichtet wie auf einen ausgeprägten Realitätsbezug. Fehlversuche werden auf ein Minimum reduziert. Gemeinsam Entwickeltes hat ja gerade den unschätzbaren Vorteil, tragfähig zu sein und das Potenzial zur langfristigen Weiterentwicklung zu besitzen. Wir sollten den Schulterblick endlich lieben lernen.



Zweite BCP-Auszeichnung für Universität Heidelberg:
Silber für »Draußen und Drinnen«
Kachel schließen 27.04.2015 Weiterlesen

